Mittwoch, 10. Dezember 2014
7. Blogpost - Tod des Autors - ein geplanter Mord?
Die von Roland Barthes aufgestellte Formulierung „Tod des Autors“ hat mich im ersten Moment nachdenklich gestimmt. Wie kann es denn zum Sterben des Autors kommen, wenn dieser doch den Text verfasst und somit der Urheber dessen ist?

Das Essay von Roland Barthes hat mir- wenn auch nicht immer leicht verständlich- Antworten auf die Frage gegeben, wie es dazu kommt, dass der Autor ablebt und ein anderer- nämlich der Leser- an seine Stelle rückt.

Für Barthes bildet den Ausgangspunkt für den Tod des Autoren die Schrift (frz.: écriture)- also das Geschriebene. Die Schrift zerstört „jede Stimme, jeden Ursprung“ (Barthes (2007 [1968]): 185) und verdrängt somit den Autor, denn sie bildet den Ort, „in dem sich jede Identität aufzulösen beginnt“ (Barthes (2007 [1968]): 185) und die des Urhebers ist die erste Instanz, die sterben wird.

Anhand eines geschichtlichen Exkurses durch die archaischen Kulturen und das Mittelalter bis hin zum Positivismus wird gezeigt, dass „[d]ie Erklärung eines Werkes stets bei seinem Urheber gesucht [wird]“ (Barthes (2007 [1968]): 186). Barthes zeigt auf, dass die Kritiker nach etwas zu suchen scheinen, was ihnen Sicherheit gibt (vgl. Barthes (2007 [1968]): 186). Vor etwas Neuem scheinen diese Angst zu haben, da sie nach der Stimme „[…] des Autors, der Vertraulichkeiten preisgibt“ (Barthes (2007 [1968]): 186) suchen.
Diesen Aspekt finde ich interessant und nachvollziehbar, denn ich finde diese Vorgehensweise ist naheliegend. Bevor man die Grenzen des Textes verlässt, kann man ja mal schauen, was sich der Autor bei der ganzen Sache gedacht hat, indem man sich dessen Biographie und Geschichte anschaut und sich beispielsweise ein Bild von seinen gesammelten Erfahrungen macht. Aber genau das funktioniert nach Barthes eben nicht, da ja kein Autor da ist, auf den man sich berufen kann, wenn man nicht weiterkommt. Einzig und allein die Schrift liegt vor. Denn der Autor ist tot- verdrängt von der Schrift.

Als einen weiteren Grund für den Tod des Autors führt Barthes das Argument auf, dass dieser stirbt, da er als die Vergangenheit seines Buches verstanden wird: er „existiert vorher, denkt, leidet, lebt für sein Buch“ (Barthes (2007 [1968]): 189). Passend hierfür finde ich den aufgeführten Vergleich, der Autor gehe dem Werk wie ein Vater seinem Kind voraus (vgl. Barthes (2007 [1968]): 189). Doch diese Vergangenheit interessiert nicht, denn zur selben Zeit wie der Text wird der moderne Schreiber geboren, der frei von jeglichen Eindrücken und Erfahrungen ist, da er „keine Existenz aufweist, die seinem Schreiben voran [geht]“ (Barthes (2007 [1968]): 189).
Schreiben heißt jetzt nicht länger erfassen, feststellen und repräsentieren (so wie es der Autor ausgeübt hat), sondern äußert sich in einer Form des Performativ- das heißt, man tut das, was man sagt- in übertragenem Sinne bedeutet dies meiner Ansicht nach, dass man nicht großartig über das nachdenkt, was man schreibt, sondern einfach anfängt zu schreiben ohne diese Schritte des Erfassens, Feststellens und Repräsentierens zu beachten (vgl. Barthes (2007 [1968]): 189).
Dies bestätigt sich in Barthes Aussage: „Stattdessen zeichnet seine Hand, abgelöst von jeder Stimme und geführt von einer reinen Geste der Einschreibung […], ein Feld ohne Ursprung […]“ (Barthes (2007 [1968]): 190). Hier wird deutlich, dass der moderne Schreiber frei im Schreiben ist und sich von nichts leiten lässt, da er ja- wie zuvor erwähnt- keine Existenz aufweist, von welcher er sich beeinflussen lassen könnte. Der Autor ist tot- der moderne Schreiber lebt.

Ich habe bereits kurz angedeutet, dass der Leser an die Stelle des Autors rückt. Nun versuche ich diesen Stellenwechsel genauer darzulegen und zu erklären, da ich ihn spannend und interessant finde.

Beginnen wir von vorne: Die Schrift (die ja den Autor quasi ermordet hat) bildet den Text, welcher sich aus doppeldeutigen Worten zusammensetzt, die nur der Leser verstehen kann (vgl. Barthes (2007 [1968]): 192). Er ist in der Lage den zweideutigen Inhalt der Worte nachzuvollziehen, weil er „in einem einzigen Feld alle Spuren vereinigt, aus denen sich das Geschriebene zusammensetzt“ (Barthes (2007 [1968]): 192). Der Leser ist der Erhabene über die Schrift, da er die Macht hat ihren Gehalt zu enthüllen.
Der Leser wird nach Barthes aber nicht als eine Person wie Du und Ich aufgefasst, sondern als jemand abstraktes- ein geformter Mensch „ohne Geschichte, ohne Biographie, ohne Psychologie“ (Barthes (2007 [1968]): 192).

Barthes definiert den Text- der ja von der Schrift gebildet wird- als „Gewebe von Zitaten aus unzähligen Stätten der Kultur“ (vgl. Barthes (2007 [1968]): 190).
Mir gefällt diese Aussage und ich stimme dieser zu, da unser Schreiben von dem geprägt ist, was wir lesen, erleben, fühlen und denken. Doch all das, was wir aufschreiben, hat vor uns schon jemand erfasst. Wir werden in der heutigen Zeit nie die Ersten sein, die etwas zum ersten Mal aufschreiben- geschweige denn sagen. Deshalb finde ich es sinnvoll den Text als ein solches Geflecht zu bezeichnen, schließlich sammeln sich im Schreiben viele verschiedene Gedanken, die aus den tausend Brennpunkten der Kultur stammen.
Wir besitzen ein sehr großes Repertoire in uns, dessen Wörter sich wiederum nur durch andere Wörter erklären lassen und das wir gebrauchen, wenn wir schreiben. So ergibt sich ein Gewebe von Zitaten, wie es Barthes nennt.
Allerdings geht durch den Gebrauch des Repertoires unsere Einzigartigkeit verloren und vielleicht ist das der Punkt weswegen Barthes sagt, dass der Autor stirbt. Dieser ist gar nicht in der Lage einzigartig zu sein und etwas komplett Neues zu erschaffen, da es sich bei dem, was er schreibt, um ein Schreibkonstrukt aus vorgegebenen Zitaten handelt. Doch ab hier übernimmt dann der moderne Schreiber die Überhand, da dieser die Macht hat „[…] die Schriften zu vermischen und sie miteinander zu konfrontieren“ (Barthes (2007 [1968]): 190).

Ich finde das Essay von Barthes interessant, da ich viel Neues über den Autor und Text erfahren habe, was mir im Nachhinein plausibel erscheint.
Am besten finde ich das Argument, dass der Autor aufgrund dessen stirbt, dass es sich bei dem Text um ein Gewebe aus Zitaten handelt, das jegliche Autonomie der künstlerischen Kreativität verschwinden lässt. Wenn ich so darüber nachdenke, wird mir bewusst, dass wir- wenn wir schreiben- ja tatsächlich Wörter und Sätze aufschreiben, die schon viele Menschen vor uns verfasst haben, ohne dass wir es wissen.
Auf die oben aufgeführte Frage zurückzukommen, ob der Tod des Autors ein geplanter Mord sei, kann ich sagen, dass dies schon als solcher gesehen werden kann, da Barthes systematisch vorgeht und seine Argumente weit ausführt, damit sie am Ende plausibel erscheinen.


Literaturverzeichnis:

Barthes, Roland (2007 [1968]): „Der Tod des Autors“. In: Jannidis, Fotis; Lauer, Gerhard; Martinez, Matias und Winko, Simone (Hrsg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart, S. 185-193

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